Strategie «Lebensqualität»

Hingegen hat Wachstum in der Regel einen positiven Effekt auf die Lebensqualität. Diese grundsätzlich harmonische Beziehung ist in der Gruppe der reichsten Länder allerdings nicht mehr so eindeutig zu erkennen, zumal die Sorgen um das Klima in der Bewertung der Lebensqualität negativ zu Buche schlagen. Aus den Beziehungen im Dreieck Wachstum, Umwelt und Lebensqualität lässt sich für Liechtenstein die Erkenntnis gewinnen, dass Wachstum kein Selbstzweck ist. Wenn Wachstum nicht mehr zur Steigerung der Lebensqualität beiträgt, wird es unökonomisch. «BIP Wachstum ja oder nein?» ist für eines der wohlhabendsten Länder der Welt die falsche Frage. Ins Zentrum des Interesses rückt die Frage: «Wie geht es der Bevölkerung?» Und der zentrale Indikator dafür ist eben die Lebensqualität.
Dabei umfasst die Lebensqualität sowohl materielle Indikatoren wie z. B. das Einkommen, die Wohnsituation, die Beschäftigung, die Ausbildung als auch immaterielle wie beispielsweise die Lebenszufriedenheit, den Gemeinsinn oder die Work-Life-Balance. Die Stiftung Zukunft.li kommt in ihrer neuesten Studie zum Schluss, dass Wirtschaftswachstum als solches für Liechtenstein kein explizites wirtschaftspolitisches Ziel mehr sein sollte. Vielmehr sollte die Politik sich auf die Lebensqualität fokussieren. Dabei stehen folgende Fragen im Vordergrund: Welche Bereiche der Lebensqualität sind zu verbessern? Welche Massnahmen eignen sich dazu am besten? Welche Ressourcen sollen zur Zielerreichung eingesetzt werden? Zur Erfassung der Lebensqualität muss für Liechtenstein kein neues Messkonzept erfunden werden. Es besteht bereits seit 2010 ein Indikatorensystem für eine nachhaltige Entwicklung, welches dazu benutzt werden kann, die Lebensqualität als eigenständiges politisches Ziel zu definieren. Entsprechend sollte es Priorität in der politischen Agenda erhalten. Richtet sich die Politik daran aus, ergibt sich als Resultat ein «optimales Wachstum», nicht zu viel und nicht zu wenig. Die Strategie fusst auf bewährten Überzeugungen des Landes: Demokratie kann besser als jede andere Staatsform das Gemeinwohl bestimmen. Marktwirtschaft kann besser als jede andere Wirtschaftsform neue Lösungen entdecken und die Bedürfnisse der Bevölkerung befriedigen. Ein guter Grund für diese Prioritätensetzung in der Wirtschaftspolitik findet sich in der Verfassung des Landes, wird doch darin die Förderung der «Volkswohlfahrt» als oberste Aufgabe des Staates definiert.
Peter Eisenhut, Ökonom und Präsident der Stiftung Zukunft.li
Mehr dazu in unserer Studie Wirtschaftswachstum - Trilemma zwischen Wachstum, Umwelt und Lebensqualität.