Den Lohndifferenzen auf der Spur
Ein Parlamentarier stellte fest, dass der Medianlohn der zupendelnden Arbeitnehmenden mittlerweile denjenigen der inländischen Angestellten überholt hat. Auch wenn die Differenz in 2016 bei nur CHF 197 (1.9%) lag, bestätigt die Lohnstatistik diese Feststellung (Abb. 1).
Abb. 1: Entwicklung Medianlöhne in- und ausländischer Arbeitskräfte
2005 bis 2016
Quelle: Amt für Statistik, Lohnstatistiken 2005 bis 2016
Markante Unterschiede zwischen den Wirtschaftszweigen
In der Industrie liegt der Medianlohn der Inländer schon seit 2005 (ältere Daten sind nicht verfügbar) tiefer, die Differenz betrug 2016 8.6%. Das insgesamt leicht höhere Lohnniveau der Zupendler muss also auf die Löhne im Dienstleistungsbereich zurückzuführen sein. Im Dienstleistungssektor verdienten denn auch liechtensteinische Arbeitnehmende in 2016 3.6% mehr als ihre ausländischen Arbeitskolleginnen und –kollegen. 2005 lag der Unterschied allerdings noch bei 15.2% — die Zupendler holen also in diesem Sektor mit grossen Schritten auf.
Auch innerhalb der Wirtschaftssektoren sind die Unterschiede gross. Die Bandbreite der Differenz zwischen den Medianlöhnen der Inländer und Zupendler reichte 2016 von +21% bis -22%. Abb. 2 zeigt nebst den Hauptsektoren (Industrie, Dienstleistungen) diejenigen fünf Wirtschaftszweige mit einer Differenz von mehr als 10 Prozentpunkten.
Abb. 2: Medianlöhne in- und ausländischer Arbeitskräfte in ausgewählten Wirtschaftszweigen (2016)
Quellen: Amt für Statistik, Lohnstatistik 2016, Beschäftigungsstatistik 2017, eigene Berechnungen
Legende: O,U = Öff. Verwaltung/Zollbehörden; K = Finanz-/Versicherungsdienstleistungen; QB = Heime/Sozialwesen; CD-CG = Herstellung von chem. Erzeugnissen, Glas-, Keramikwaren; R, S = Unterhaltung/Sonst. Dienstleistungen; H = Verkehr/Lagerei
Diese zum Teil erheblichen Differenzen können verschiedene Ursachen haben. Der Hauptgrund dürfte jedoch bei den Unterschieden in den beruflichen Qualifikationen zu finden sein.
Sondermodell Liechtenstein mit ein Grund für Lohndifferenzen
Trotz EWR-Mitgliedschaft kennt Liechtenstein (als einziger EU/EWR-Staat) eine Sonderlösung bei der Personenfreizügigkeit und muss nur einer kleinen Zahl ausländischer Arbeitnehmenden eine Aufenthaltsbewilligung erteilen. Gleichzeitig brummt der Wirtschaftsmotor. Die Beschäftigung ist 2017 um 3% oder fast 1‘000 Stellen (Vollzeitäquivalente, VZÄ) gestiegen. Weniger als 10% davon wurden im Inland rekrutiert, die von Zupendelnden besetzten Stellen (VZÄ) stieg hingegen um 876 auf rund 18‘600 an (Amt für Statistik, Beschäftigungsstatistik 2016, 2017).
Die liechtensteinische Wirtschaft ist also in hohem Mass auf die ausländischen Arbeitskräfte angewiesen. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich bei ihnen zu einem relevanten Anteil um höher qualifizierte und damit besser bezahlte Fachkräfte und Spezialisten handelt, die im Inland schlicht nicht verfügbar sind. Das stärker steigende Lohnniveau der Zupendelnden dürfte somit direkt mit der liechtensteinischen Niederlassungspolitik - also mit dem Modell «Arbeiten in Liechtenstein - wohnen im Ausland» - verknüpft sein.
Zukunft.li hat diese Aspekte in ihrer Studie «Knacknuss Wachstum und Zuwanderung» umfassend beleuchtet und wir kommen zum Schluss, dass eine Öffnung langfristig einerseits das Bruttonationaleinkommen (BNE) pro Kopf senken würde und mit grossen Herausforderungen für Infrastruktur, Raum, Umwelt und Gesellschaft verbunden wäre. Die Vorteile der Sonderlösung sind offensichtlich und sollten möglichst erhalten werden.