Bevölkerungsschutz: Nicht fragen, sondern machen
«Unwetter im Tessin fordert Todesopfer», «70‘000 Blitze bei Unwetter in der Schweiz - Sperrungen nach Schlammlawinen und Felssturz», «Rekord-Regen in Wien – Frau unter Bus gespült», «Unwetter verwüstet St. Anton in Tirol», solche Schlagzeilen haben uns durch den launenhaften Sommer begleitet. Für Klimaforscher kommen diese Meldungen nicht unerwartet, warnen sie doch seit langem vor der Zunahme extremer Wetterereignisse. Mittlerweile wird auch für den Laien immer deutlicher, dass sich mit dem Klima auch das Wetter bei uns verändert.
Ich bin mir bewusst, dass das Thema Bevölkerungsschutz emotional aufgeladen ist und dass man sich damit schnell dem Vorwurf der Panikmache aussetzt. Das Liechtensteiner Vaterland, das im Sommer eine Serie zur Gefährdungsanalyse publizierte, wurde sogar bezichtigt, damit nur Stimmung für die bevorstehende Volksabstimmung über den Beitritt zum Internationalen Währungsfonds (IWF) machen zu wollen. Eine sachliche Diskussion über die drohenden Gefahren ist so kaum möglich. Dabei stellen Fachleute fest, dass nicht nur die Eintrittswahrscheinlichkeit und das Schadenausmass von Naturgefahren zugenommen haben. Durch die zunehmende Bevölkerungsentwicklung, die immer engeren Lebensräume und die starke internationale Vernetzung steigt auch das Risiko zivilisationsbedingter Gefahren, wie Stromausfälle/-mangellagen, Ausfall der Kommunikationsinfrastruktur, Cyberattacken oder Pandemien.
Was heisst das für den Bevölkerungsschutz? Die gute Nachricht ist, dass Liechtenstein in den letzten Jahren sehr viel Geld in die Naturgefahrenprävention bzw. in Schutzbauten investiert hat und diese laufend erweitert. Ausserdem wurden zivile Führungsstäbe für das Ober- und das Unterland aufgebaut. Zudem haben sich in den letzten Jahren in jeder Gemeinde Gemeindeschutz-Organisationen gebildet. Diese sind im Katastrophenfall für den Betrieb von Notfalltreffpunkten sowie für die Evakuation, Verpflegung und Unterbringung von Schutzsuchenden (Evakuierten) zuständig. Es ist aber auch klar festzuhalten: Bezüglich des Aufgabenspektrums, der technischen und personellen Ressourcen, des Professionalisierungsgrads und der Ausbildung sind die Gemeindeschutz- und Zivilschutzgruppen in Liechtenstein nicht mit dem Schweizer Zivilschutz vergleichbar. Bei länger andauernden Ereignissen kommen sowohl die gut ausgestatten Feuerwehren als auch die anderen Hilfs- und Rettungsorganisationen in Liechtenstein rasch an ihre Grenzen. Liechtenstein kann dank Abkommen mit den Nachbarländern im Krisenfall zwar mit Hilfe rechnen, diese beruht allerdings auf Freiwilligkeit. Um Hilfe von den Nachbarländern zu erhalten, muss Liechtenstein beweisen können, selbst optimal für Krisen vorgesorgt zu haben.
Die Forschung zeigt: Je besser die Bevölkerung über Gefahren und Vorsorgemöglichkeiten Bescheid weiss, desto besser bereitet sich der Einzelne vor. Das entlastet die Rettungsorganisationen und stärkt die Resilienz der ganzen Gesellschaft. Zukunft.li empfiehlt deshalb den Aufbau einer qualitativ hochstehenden und auf die Bedürfnisse Liechtensteins zugeschnittenen Grundausbildung im Bevölkerungsschutz. Dabei können beispielsweise die Grundlagen des Feuerlöschens und der Ersten Hilfe erlernt, den Umgang mit Menschen in Krisensituationen geschult oder Grundwissen über Naturgefahren vermittelt werden. Im Rahmen eines solchen Grundkurses könnten die Rettungsorganisationen den Teilnehmenden ihr Leistungsspektrum vorstellen und geeignete Personen rekrutieren.
Gemäss Postulatsbeantwortung will die Regierung Jugendliche befragen, ob eine solche Ausbildung für sie in Frage käme. Wir finden: Wenn wir schon sehen, dass wir zu wenig tun, dann müssen wir nicht fragen, sondern machen - und zwar ein Angebot, das so attraktiv ist, dass alle ein entsprechendes Zertifikat ihrem Lebenslauf haben wollen.
Mehr Infos dazu finden Sie hier.
Doris Quaderer
Projektleiterin Stiftung Zukunft.li