Wirtschaftsausblick 2019 - Wird die Luft dünner?

Zum Einstieg in sein Referat erfasste Peter Eisenhut die konjunkturelle Stimmung der rund 100 Gäste mit einer Umfrage. Die Mehrheit der Teilnehmer geht von einer Abflachung der Weltkonjunktur aus, zeigt sich aber für Liechtenstein trotzdem optimistisch. Den Eurokurs erwarten sie Ende 2019 in einer Bandbreite von 1.11 bis 1.16. Peter Eisenhut hielt fest, dass der synchrone Aufschwung der Weltwirtschaft von einer synchronen Abschwächung abgelöst wird. Für die stark von der Weltwirtschaft abhängige und volatile Liechtensteiner Wirtschaft erwartet er eine stärkere Abkühlung, zumal die globalen Risiken gestiegen sind (z. B. Handelskrieg, Verschuldung, Brexit, Geopolitik).
Von mehr Gegenwind werden insbesondere die Exporte und die Investitionen betroffen sein. Die Exporte Liechtensteins entwickelten sich in den letzten Jahren erfreulich, liegen aber nach wie vor 17% unter dem Höchststand von 2008. Die nachlassende Dynamik der Weltwirtschaft hat bereits im 4. Quartal zu einem Exportrückgang von 3.3% geführt. Auch in den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres wird ein Minus von 4% ausgewiesen. Der Detailhandel – beschäftigungsmassig die viertgrösste Branche des Landes – kämpft mit der stärker werdenden ausländischen Konkurrenz, die sich sowohl im Online-Geschäft als auch im Einkaufstourismus zeigt. Die Branche wird auch in den kommenden Jahren von einem starken Wandel der Strukturen und sich verändernden Geschäftsmodellen herausgefordert werden. Weil dem Konjunkturzyklus langsam die Luft ausgeht, dürfte sowohl die Europäische Zentralbank als auch die Schweizerische Nationalbank die Chance zur Normalisierung der Geldpolitik verpasst haben. Die Nebenwirkungen werden indes immer grösser: Sei dies in der Altersvorsorge, bei den Pensionskassen, an den Finanz- und Immobilienmärkten oder bei der Verschuldung von Staaten, Unternehmen und Privaten.
Die Tiefzinspolitik hat auch Auswirkungen auf dem Immobilienmarkt. Der Anstieg der Leerbestände ist besonders in der Ostschweiz und in Liechtenstein zum Thema geworden. Insbesondere Mietwohnungen stehen leer, sodass in diesem Segment ein veritabler Angebotsüberschuss besteht.
Die Arbeitslosenquote in Liechtenstein ist auf einen historischen Tiefstand gefallen, denn das Wachstum in Liechtenstein ist auch in den letzten Jahren vorwiegend einem Anstieg der Beschäftigung und nicht der Produktivität zu verdanken. Der demografische Wandel und die Digitalisierung sind eine grosse Herausforderung auf dem Arbeitsmarkt. Entscheidend wird sein, dass die richtigen und mehr Investitionen in die Aus- und Weiterbildung fliessen und dass die Flexibilität am Arbeitsmarkt erhöht wird.
Anschliessend an das Referat unterhielt sich Peter Beck mit Regierungschef-Stellvertreter Dr. Daniel Risch, Roland Matt (LLB) sowie Harald Beck (Confida) über die von Peter Eisenhut aufgeworfenen Themen. Daniel Risch betonte dabei, dass dem Wirtschaftsministerium trotz guter Konjunktur die Arbeit nicht ausgehe. Insbesondere die Umsetzung der Digitalen Agenda spiele dabei eine wichtige Rolle. Obwohl die Digitalisierung auch die Finanzbranche tangiert, sieht Roland Matt das aktuelle Zinsumfeld als die deutlich grössere Herausforderung und schloss sich der Meinung von Peter Eisenhut an, dass in Europa der richtige Zeitpunkt für eine Zinswende verpasst wurde. Die Negativzinsen würden die Ergebnisse der Banken drücken. So hätte die LLB in 2018 rund CHF 21 Mio. für die Absicherung in Swaps investieren müssen. Des einen Leid ist des anderen Freud. Im Baubereich sorgen die tiefen Zinsen derzeit für hohe Nachfrage, bestätigte Harald Beck. Auf den derzeit herrschenden Leerstand in Liechtenstein angesprochen relativierte er diesen und erwartet - wie auch Daniel Risch und Roland Matt - mittelfristig sinkende Mietpreise. Er ging auch auf die unterschiedliche Entwicklung einzelner Objektkategorien ein. So hätten sich die Preise für Büro- oder Gewerbeflächen in den letzen Jahren stark nach unten bewegt. Obwohl sich die Wohnungsmieten trotz hohem Leerstand derzeitig noch kaum bewegen, sieht Daniel Risch keine Gefahr, dass man sich das Leben in Liechtenstein nicht mehr leisten kann.
In der abschliessenden «Wunschrunde» hoffte Daniel Risch auf die Zustimmung des Landtags für anstehende Infrastrukturprojekte, Roland Matt auf eine baldige und nachhaltige Änderung der Zinspolitik von EZB und SNB und Harald Beck appellierte an die Regierung, das Thema des genossenschaftlichen Wohnungsbaus zu priorisieren.
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