Weltwirtschaft: Wie weiter mit der Globalisierung? Folgen für Liechtenstein?
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) und dem WTO-Beitritt Chinas erlebte die Weltwirtschaft in den 1990er und frühen 2000er Jahren eine Phase des Aufbaus weltweiter Lieferketten und der globalen Verlagerung von Produktionsprozessen. Dies führte zu einer raschen wirtschaftlichen, finanziellen und technologischen Integration, verbunden mit einem starken Wirtschaftswachstum und einem enormen Ausbau des Welthandels.
Der Globalisierungstrend wurde durch die Finanzkrise 2008 unterbrochen. Diese löste erste geopolitische Spannungen zwischen den USA und China aus. Mit der Amtsübernahme von US-Präsident Donald Trump verschärfte sich das Verhältnis zwischen den beiden Grossmächten zusehends. Mittlerweile hat sich der Systemwettbewerb zwischen China und den USA zurückgemeldet, der sich in zunehmenden Handels- und Technologiekonflikten zeigt. Zudem haben die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg die Gefahren internationaler Abhängigkeiten in den Fokus gerückt. Die Transformation zu einer Netto-Null-Treibhausgas-Gesellschaft erhöht die geopolitischen Spannungen zusätzlich.
«Subventionsfieber» und «Protektionismusgrippe» hemmen Wachstum
Diese Entwicklungen haben zu einem fundamentalen Umdenken in der Wirtschaftspolitik geführt. Im Mittelpunkt stehen heute der Schutz der heimischen Volkswirtschaft und die gezielte staatliche Förderung vermeintlich zukunftsträchtiger Branchen und Produkte. Mit dem Einsatz von Zöllen, Export- und Importverboten, der Kontrolle ausländischer Investitionen und mit Subventionsprogrammen sollen diese Ziele erreicht werden. Die Konsequenz dieses Wandels ist eine Verlangsamung des globalen Wachstums und des Welthandels. Die Direktinvestitionen von Unternehmen im Ausland waren in den letzten Jahren rückläufig. Die totgesagte Inflation ist auferstanden und die Schuldenstände sind auf neue Höchstwerte geklettert.
Die Globalisierung hat auch der liechtensteinischen Wirtschaft bis zur Finanzkrise 2008 goldene Zeiten beschert. Der Aufbau globaler Beschaffungs- und Absatzmärkte, die Gründung von Tochtergesellschaften an günstigen Standorten sowie die Verfügbarkeit kostengünstiger internationaler Ressourcen waren ein erfolgreiches Geschäftsmodell, das nun Anpassungen erfordert. Das Wirtschaftswachstum in Liechtenstein hat sich seit 2009 abgeschwächt, sowohl die Export- als auch die Importquote sind unter Druck.
Liechtensteins Wirtschaft auf offene Märkte angewiesen
Liechtenstein soll und kann sich nicht am Protektionismus- und Subventionswettbewerb beteiligen. Gerade für kleine Länder ist der Zugang zu internationalen Märkten entscheidend. Die Stärkung eines multilateralen, regelbasierten Handelssystems ist daher der Königsweg für Liechtenstein. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Politik für eine Reform der WTO einsetzt, um deren Funktionsfähigkeit wiederherzustellen und ihren Fortbestand zu sichern. Auch die Partnerschaft mit den EU- und EFTA-Staaten sowie mit dem Zollvertragspartner Schweiz sind zentrale aussenpolitische Pfeiler. Denn über diese Partner erhält Liechtenstein dank Freihandelsabkommen Zugang zu internationalen Märkten.
Um in diesem Umfeld wettbewerbsfähig zu bleiben, sind Kompetenz und Innovationskraft und damit die Verfügbarkeit von Fachkräften zentrale Erfolgsfaktoren für den Standort Liechtenstein. Weitere Erfolgsfaktoren sind die Bildung, ein leistungsfähiges Verkehrssystem, eine zuverlässige Energieversorgung sowie erstklassige Forschung und Entwicklung. Bei vielen Indikatoren schneidet Liechtenstein gut ab, bei anderen – etwa im Verkehrsbereich – besteht aber zweifellos Optimierungsbedarf.