Grafik des Monats: Sind Liechtensteiner kränker als die Schweizer?

Besonders markant ist der Unterschied bei den über 90-Jährigen: Hier liegen die jährlichen Gesundheitskosten im Durchschnitt bei mehr als 28 000 Franken – rund 8 000 Franken oder 40 Prozent mehr als in den Vergleichskantonen. Ein ähnliches Bild zeigt sich im akutstationären Bereich, wo Liechtenstein pro Kopf 20 bis 24 Prozent höhere Kosten aufweist. Auch bei ambulanten Arztbehandlungen bestehen signifikante Differenzen von 16 bis 20 Prozent.
Diese Abweichungen lassen sich nicht durch höhere Tarife erklären – der Tarmed-Taxpunktwert orientiert sich am Niveau der Nachbarkantone. Vielmehr zeigt sich, dass Versicherte in Liechtenstein häufiger zum Arzt gehen und zusätzlich höhere Kosten pro Konsultation anfallen. So lag die durchschnittliche Anzahl Arzt- und Spitalambulatoriumsbesuche im Jahr 2022 bei 8,8 pro Person – rund 10 Prozent mehr als in St. Gallen und Graubünden.
Aus Experteninterviews im Rahmen der Studie Gesundheitswesen Liechtenstein: Kosten – Entwicklung – Vergleiche von Zukunft.li geht hervor, dass die Anspruchshaltung der Bevölkerung eine wesentliche Rolle spielt. Trotz vorhandener finanzieller Anreize wie Wahlfranchisen oder der Möglichkeit, Generika zu nutzen, zeigen viele Versicherte geringe Bereitschaft zur Kostenreduktion. Stattdessen sind sie eher gewillt, zusätzliche Kosten für eine erweiterte Leistungspalette zu tragen. Auch Faktoren wie Prämienverbilligungen oder Arbeitgeberbeiträge verringern die individuelle Belastung und dürften die Nachfrage zusätzlich fördern.
Die Ergebnisse werfen wichtige Fragen für die zukünftige Ausgestaltung des Gesundheitssystems auf – insbesondere im Hinblick auf Effizienz, Steuerung der Nachfrage und die Finanzierbarkeit bei einer alternden Bevölkerung.
Thomas Lorenz