Lohndiskriminierung
Am 19. April war in einer Publikation des Amtes für Statistik zu lesen: «Der monatliche Bruttolohn der Frauen lag im Jahr 2022 14,1 Prozent tiefer als jener der Männer.» Frauen in Liechtenstein erhalten im Mittel pro Monat 1059 Franken weniger Lohn als Männer. In der Schweiz beträgt diese Lohndifferenz 9,5 Prozent. Gibt es allenfalls «legitime» Erklärungen für diese Lohndifferenzen? Um unnötigen Ärger zu vermeiden, sollten wir wissen, ob diese Lohnunterschiede etwas mit der Position, dem Alter, dem Dienstalter, der Ausbildung oder der Branche zu tun haben. Berücksichtigt man all diese Faktoren, bleibt ein wesentlich kleinerer Anteil der «Lohnlücke» nicht erklärbar. In der Schweiz beträgt der Anteil dieser sogenannt «unerklärbaren» Lohndifferenz rund 48 Prozent. Gemäss Conny Wunsch, Arbeitsmarktökonomin an der Universität Basel, darf dieser unerklärbare Lohnunterschied nicht mit Diskriminierung gleichgesetzt werden. Denn die Lohngleichheitsanalysen berücksichtigen weder die Berufserfahrung noch ob jemand CEO eines Grosskonzerns oder Geschäftsführer eines KMU ist. Aus verschiedenen Gründen gibt es besser und schlechter zahlende Firmen, wodurch es zwangsläufig zu Lohndifferenzen kommt. Gesamtwirtschaftliche Erhebungen können nicht auf betriebliche Besonderheiten eingehen. Aufgrund von Analysen auf Ebene von einzelnen Unternehmen formulierte der Präsident des schweizerischen Arbeitgeberverbandes folgende Botschaft: «Es gibt keine Lohndiskriminierung in unserem Land». Eine Aussage, die zu heftigen Protesten seitens der Gewerkschaften führte.
Dies ist nur eine Seite der geschlechtsspezifischen Debatte, welche sich um die Interpretation der Lohnstatistiken dreht. Die andere Seite ist die ebenfalls kontroverse und emotionale Debatte rund um Rollenbilder und Geschlechterverhalten. Mitte des letzten Jahres erhitzte eine Studie der Universität Zürich die Gemüter. Die heftig kritisierte Kernaussage von Katja Rost und Margrit Osterloh lautete: Studentinnen in frauendominierten Studiengängen hätten tiefere Karriereambitionen, da sie traditionellen Geschlechterrollen folgten. Sie würden sich daher für andere Lebenswege entscheiden und andere Prioritäten setzen. Dies löste einen Sturm der Entrüstung aus. Ein Jahr zuvor erhielt die Harvard-Professorin Claudia Goldin den Nobelpreis für ihre Forschung über Frauen am Arbeitsmarkt. Den wahren Grund dafür, dass Frauen weniger verdienen als Männer, nannte Claudia Golding «schmutzige Wahrheit». Frauen würden beruflich zurückstecken (müssen), sobald Kinder da sind, während Männer ihre Karriere ungehindert weiterverfolgten. Der Mutter-Malus lebt. Auch diese Botschaft kommt nicht bei allen gut an.
Peter Eisenhut, Ökonom und Präsident der Stiftung Zukunft.li