Inflation besiegt?
Ein Blick zurück: Im Laufe des Jahres 2021 sind die Import- und Produzentenpreise aufgrund pandemiebedingter Lieferkettenengpässe und durch staatliche Nachfragestimulation angestiegen. Der Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 hat die Preiserhöhungen weiter angeheizt. Insbesondere bei Energie und Rohstoffen kam es zu eigentlichen Preisschocks. Die Unternehmen haben versucht, die höheren Kosten wann immer möglich auf die Konsumenten abzuwälzen. Im Juni 2022 erreichte die Jahresteuerung in den USA einen Höchststand von 9,1 Prozent, in der Schweiz stieg sie bis Juli auf 3,5 Prozent und im Euroraum bis Oktober auf 10,6 Prozent.
Seit Mitte 2022 schwächt sich in der Schweiz der Anstieg der Produzenten- und Importpreise wieder ab, und seit Februar dieses Jahres verlangsamt sich auch die Zuwachsrate der Konsumentenpreise. Insbesondere die Preise für Benzin, Heizöl und Gas sind im Vergleich zu ihren Rekordständen gesunken und wirken nun wieder deflationär. Zudem waren im vergangenen Jahr die Monate Mai bis Juli von einem starken Preisanstieg geprägt, so dass aufgrund des Basiseffektes die Teuerung in der Schweiz bereits im Juni unter die 2-Prozent-Marke fallen könnte. Allerdings wird die Situation in der zweiten Hälfte des laufenden Jahres schwieriger. Denn die Leitzinserhöhungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) haben zu einem Anstieg des hypothekarischen Referenzzinssatzes geführt. Dies ermöglicht den Vermietern, den Mietzins im Herbst anzuheben. Da die Mietausgaben im Landesindex der Konsumentenpreise rund 19 Prozent ausmachen, schlagen Mietpreiserhöhungen stark auf die Teuerung durch. Mittel- und längerfristig dürften allerdings andere Preistreiber eine Rolle spielen.
Ein erster Preistreiber ist der Klimawandel. Die Abkehr von fossilen Energieträgern und der Umbau der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität könnten die Teuerung während einer längeren Übergangszeit anheizen. Insbesondere die Nachfrage nach Energie und nach Rohstoffen für erneuerbare Energieträger wird erheblich zunehmen. «Greenflation» ist dazu das Stichwort. Als zweiter Preistreiber könnte sich die Veränderung der Globalisierung erweisen. Während in der Hochphase der weltweiten Arbeitsteilung der globale Wettbewerb eine dämpfende Wirkung auf die Inflation hatte, zeichnen sich nun eine Umstrukturierung der Lieferketten und zunehmender Protektionismus ab. Dies führt tendenziell zu steigenden Produktionskosten. Ein dritter künftiger Preistreiber ist die demografische Entwicklung. Der Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung in weiten Teilen der Welt wird den Arbeitskräftemangel erhöhen und ebenfalls inflationsfördernd wirken.
Insgesamt dürfte sich die weltweite Inflation als hartnäckiger erweisen, als derzeit von vielen Seiten erwartet.
Peter Eisenhut
Ökonom und Präsident der Stiftung Zukunft.li