Gesundheitswesen Liechtenstein: Kosten – Entwicklung – Vergleiche
Die Gesundheitskosten pro Versicherten in der Obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) sind von 2004 bis 2022 um 62 Prozent gestiegen. Ein wichtiger Kostentreiber ist die demografische Entwicklung, mit der sich rund 30 Prozent des Wachstums erklären lassen. Das Bevölkerungswachstum, der medizinisch-technische Fortschritt, aber auch eine hohe Anspruchshaltung spielen ebenso eine Rolle wie Anreizmechanismen sowohl für die Patientinnen und Patienten als auch für die Leistungserbringer.
Im Vergleich zu den benachbarten Schweizer Kantonen St. Gallen und Graubünden sind die OKP-Kosten pro Kopf in Liechtenstein um 20 Prozent höher. Diese höheren Kosten zeigen sich in praktisch allen Leistungsbereichen, und die Differenz nimmt bei Versicherten ab dem 55. Lebensjahr noch deutlich zu. Ein wesentlicher Grund für die Kostendifferenz liegt in der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen. So konsultierten Versicherte aus Liechtenstein durchschnittlich 10 Prozent häufiger einen Arzt oder ein Spitalambulatorium als die Versicherten der Nachbarkantone. Insgesamt können die höheren Pro-Kopf-Kosten nicht auf systematische Unterschiede zurückgeführt werden, sondern sind zu einem hohen Anteil hausgemacht.
Kostenbeteiligungen senken die Kosten im Gesundheitswesen
Ein wesentlicher Unterschied zeigt sich auch im Versicherungsverhalten: In der Schweiz entscheidet sich ein Grossteil der Versicherten für eine höhere Wahlfranchise. Damit finanzieren sie freiwillig ihre Gesundheitskosten bis zu einem bestimmten Betrag und profitieren im Gegenzug von tieferen Prämien. In Liechtenstein wählen deutlich weniger Versicherte dieses Modell. Studien zeigen, dass Kostenbeteiligungen mit Franchise und Selbstbehalt die Gesundheitskosten senken, da die Versicherten bewusster und sparsamer Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch nehmen. Zukunft.li plädiert deshalb dafür, stärker auf solche Anreizwirkungen zu setzen und Franchisen und Selbstbehalte für alle Versicherten anzuwenden. Das Ziel, einkommensschwache Haushalte zu unterstützen, kann durch gezielte Prämienverbilligungen deutlich effizienter erreicht werden, als durch die Befreiung ganzer Bevölkerungsgruppen wie Kinder und Personen im Pensionsalter von der Kostenbeteiligung.
Versicherungsmodelle fördern Wettbewerb
Wettbewerb ist im liechtensteinischen Gesundheitswesen aufgrund strenger Regulierung quasi nicht existent. Doch es gibt Spielräume, die in Liechtenstein bislang nicht genutzt werden. Ein Beispiel dafür sind Managed-Care-Systeme – ein vielversprechender Ansatz zur Steigerung der Behandlungsqualität und der Kosteneffizienz. In diesen Modellen sind Managed-Care-Organisationen (HMO) oder Hausärzte die zentralen Akteure. Sie dienen als erste Anlaufstelle und steuern die Überweisungen zu Spezialisten und anderen medizinischen Dienstleistern. Die Krankenversicherer unterstützen diese Modelle durch finanzielle Anreize und Verträge mit den Leistungserbringern, die auf Qualität, Effizienz und Patientenzufriedenheit ausgerichtet sind. Die Versicherten schränken sich freiwillig in ihrer Arztwahl ein, erhalten dafür günstigere Prämien und profitieren von einer integrierten Versorgung entlang des gesamten Behandlungspfads.
Ein Grund, weshalb sich Managed-Care-Modelle in Liechtenstein bis anhin nicht etabliert haben, sind nebst dem kleinen Markt auch regulatorische Hürden, die den Anreiz für Leistungserbringer und Krankenkassen deutlich reduzieren. So können Versorgungsverträge nur mit Leistungserbringern innerhalb der Bedarfsplanung abgeschlossen werden. Zukunft.li empfiehlt, bei Manged-Care-Modellen den Kreis der möglichen Leistungserbringer für solche ausserhalb der Bedarfsplanung zu öffnen. So wären auch Verträge mit bestehenden Versorgungsnetzen in der benachbarten Schweiz möglich. Davon profitieren nicht nur die Versicherten, die sich für ein solches Modell entscheiden, sondern durch die insgesamt geringeren Kosten letztendlich alle Prämienzahlenden.
Chancen in der Digitalisierung und der Ambulantisierung nutzenl
Potenzial sieht Zukunft.li auch in der Digitalisierung des Gesundheitswesens (E-Health). Internationale Studien gehen von einem Einsparpotenzial durch den Einsatz von E-Health im hohen einstelligen Prozentbereich aus. Mit der Einführung des elektronischen Gesundheitsdossiers (eGD) ist diesbezüglich ein erster Schritt getan. Nun gilt es, die breite Nutzung zu fördern. Dazu muss die Anwenderfreundlichkeit für Leistungserbringer und Versicherte verbessert werden, beispielswiese durch Mobile Apps und vereinfachte Freigabeverfahren für Zugriffsrechte. Ausserdem sollten wichtige ausländische Leistungserbringer möglichst rasch eingebunden werden.
Der medizinische Fortschritt eröffnet Möglichkeiten, verschiedene Eingriffe ambulant statt stationär und damit kostengünstiger durchzuführen. Dies erfordert jedoch eine Neuregelung der Finanzierung in der Schweiz, und die Kantone werden inskünftig auch den ambulanten Bereich mitfinanzieren. Damit verbunden sind auch neue Regelungskompetenzen für die Kantone, was wiederum die Türen für eine stärkere grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der ambulanten Versorgung öffnet.