Frauenerwerbstätigkeit
Mehr Arbeitsplätze als Einwohnerinnen und Einwohner – das ist keine Neuigkeit, aber eine Besonderheit der Volkswirtschaft des Kleinstaats Liechtenstein. Das Arbeitsplatzwachstum setzt sich seit Jahren fast ungebremst fort. Ob und wie stark die Covid-19-Krise diese Entwicklung beeinflussen wird, ist heute nicht abzuschätzen. Jedenfalls übersteigt bis anhin die Nachfrage nach Arbeitskräften das inländische Angebot bei Weitem. Viele Unternehmen und Branchen sind mit einem Fachkräftemangel konfrontiert. Aus volkswirtschaftlicher Sicht wäre es daher sinnvoll, das inländische Arbeitskräftepotenzial besser auszuschöpfen.
Denn eine höhere Erwerbsquote bei gleicher Gesamtbeschäftigung führt zu einem höheren Bruttonationaleinkommen (BNE), welches als Mass für den inländischen Wohlstand gilt. Damit steigt auch das Steuersubstrat an. Ein weiterer Aspekt ist der geringere Arbeitswegverkehr, wenn Arbeitsplätze durch inländische Arbeitskräfte anstelle von Zupendlerinnen und Zupendlern besetzt werden. Und schliesslich werden die Bildungsinvestitionen der öffentlichen Hand besser genutzt und unterstützen so die wirtschaftliche Entwicklung.
Direkter Vergleich mit der Schweiz überrascht
Die unterschiedlichen Erwerbsverläufe zwischen den Geschlechtern zeigen sich in Liechtenstein ab Alter 30, dies auch unabhängig vom Ausbildungsniveau. Während die Erwerbstätigkeit der Männer auch dann noch ansteigt, knickt die Verlaufskurve bei den Frauen ab und bleibt bis zum Pensionsalter deutlich unter derjenigen der Männer. Frauen steigen entweder aus dem Erwerbsleben aus oder reduzieren ihr Pensum. Zukunft.li hat eine Potenzialschätzung angestellt, nach der rund 600 bis 700 Vollzeitstellen in Liechtenstein besetzt werden könnten, wenn die Frauen in Liechtenstein im gleichen Ausmass erwerbstätig wären wie jene in der Schweiz.
Betreuungswunsch dominiert
Fremdbetreuungskosten und zusätzliche Steuerbelastung reduzieren den ökonomischen Anreiz für Erwerbstätigkeit. Dieser Aspekt dürfte in Liechtenstein allerdings eine untergeordnete Rolle spielen. Stärker wiegt der Wunsch, die Kinder möglichst selbst betreuen zu können. Aus liberaler Perspektive muss es auch eine individuelle Entscheidung bleiben, wie sich Eltern in Bezug auf Arbeit und Kinderbetreuung organisieren.
Familienpolitik liberal umsetzen
Es ist Aufgabe einer zukunftsgerichteten Familienpolitik, erkannte Hindernisse für die Frauenerwerbsbeteiligung aus dem Weg zu räumen und für optimale Voraussetzungen von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen. Die Politik wird sich in dieser Legislatur mit der Umsetzung der Work-Life-Balance-Richtlinie der EU auseinandersetzen, die Liechtenstein als EWR-Mitglied umzusetzen hat. Den positiven Aspekten von ausgewogenen Arbeitsmarktchancen der Geschlechter stehen potenziell zu starke Arbeitsmarkteingriffe gegenüber. Die Politik ist gefordert, das Optimum zu finden, bei dem möglichst hoher volkswirtschaftlicher Nutzen resultiert.