Bezahlbarer Wohnraum: dünne Informationslage für sozialpolitisch wichtige Thematik

Das «Dach über dem Kopf» gehört zu den Grundbedürfnissen der Menschen, und das Wohnen beansprucht in der Regel einen relevanten Teil des verfügbaren Einkommens. Boden- und Immobilienpreise steigen in Liechtenstein seit Jahren und auch die Wohnungsmieten sind teurer geworden, allerdings vergleichsweise moderat. Die Löhne sind in den letzten Jahren stärker gestiegen als die Mieten. Ein Blick in die Statistik zeigt: Die Mietpreise (Median) für eine 3.5- oder 4.5-Zimmer-Wohnung liegen unter der 30-Prozent-Schwelle des Erwerbseinkommens der meisten Haushalte, die oft als Faustregel für die Tragbarkeit von Mieten genannt wird. Die Folgende Abbildung zeigt das für 75% der Haushalte. Je tiefer das Haushaltseinkommen, desto eher wird diese 30%-Schwelle - abhängig von der Wohnungsgrösse - erreicht.
Abb. 1: Bruttomiete (2023) im Verhältnis zu Haushaltserwerb (2020)
Quellen: Amt für Statistik, Internetrecherche, eigene Berechnungen
Erklärung zur Abbildung
1. Quartil 25% liegen unter, 75% über diesem Wert
Median Die eine Hälfte liegt unter, die andere Hälfte über diesem Wert
3 / 4 Personen 3-Personen-, 4-Personen-Haushalt
Lesebeispiel
Ein 4-Personen-Haushalt mit einem Medianeinkommen wendet für eine 4.5-Zimmerwohnung 16% für die Miete auf. Bei niedrigen Haushaltseinkommen (1. Quartil) sind es 19%
Auch eine Frage des Anspruchs
Allerdings liegt die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf in Liechtenstein auf einem deutlich höheren Niveau als in der benachbarten Schweiz. Und der Ausbaustandard ist laut Immobilienexperten meist höher, was sich auch in den Wohnkosten niederschlägt.
Abb. 2: Durchschnittliche Wohnfläche pro Person in Liechtenstein, St. Gallen und Graubünden (1980-2020) und in den übrigen Schweizer Kantonen (2020)
Quellen: Amt für Statistik, Bundesamt für Statistik Neuchâtel
Lesebeispiel
1980 betrug die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf in Graubünden 33 m2 , in St. Gallen 34 m2 und in Liechtenstein 36 m2 . Bis 2000 erhöhte sich der Wert in Graubünden und in St. Gallen auf 45 m2 , in Liechtenstein auf 49 m2.
Hohe Leerstandsquote – keine Wohnungsnot
Gleichzeitig weist der liechtensteinische Wohnungsmarkt seit Jahren eine ausserordentlich hohe Leerstandsquote auf (2021: 4%), während in Teilen der Schweiz seit einigen Monaten von einer Wohnungsnot gesprochen wird. Als Hauptgründe werden die Umsetzung der Raumplanung, bürokratische Hürden und der zu geringe Wohnungsbau im Verhältnis zur Zuwanderung genannt. Das sind Faktoren, die auf Liechtenstein derzeit nicht zutreffen.
Liberales Mietrecht – Unterstützung wo nötig
Zukunft.li hat sich im Rahmen des Projekts mit inländischen Immobilienexperten ausgetauscht. Eine Mehrheit ist der Meinung, dass derzeit grundsätzlich ausreichend bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht, auch wenn einzelne Personengruppen Schwierigkeiten haben, eine passende Wohnung zu finden.
Ein Indiz für bezahlbare Mieten ist auch die Tatsache, dass immer weniger Personen Mietbeiträge beantragen und diese Unterstützungsleistungen seit Jahren rückläufig sind. Liechtenstein kennt ein liberales Mietrecht und unterstützt Familien mit niedrigen Einkommen mit Mietbeiträgen. Insgesamt hat das Land mit dieser bedarfsorientierten Politik einen effektiven und effizienten Weg eingeschlagen.
Entwicklung im Blick behalten
Die Entwicklungen auf dem Wohnungs- und Immobilienmarkt sind sozialpolitisch relevant und weiterhin gut zu beobachten. Anhaltend steigende Bodenpreise und Baukosten können Investitionen in Wohnimmobilien bremsen und die Situation rasch verändern. Bei einer Angebotsverknappung wird die Frage nach bezahlbarem Wohnraum gesellschaftlich relevant und kann adäquate sozialpolitische Massnahmen rechtfertigen. Beispiele im Ausland zeigen aber auch, dass mit staatlichen Eingriffen in den Wohnungs- und Immobilienmarkt das Risiko von Staatsversagen verbunden ist. Gehen staatliche Massnahmen zu weit, setzen sie die Marktsignale ausser Kraft und führen zu unbefriedigenden Ergebnissen.
Transparenz tut Not
In Sachen Transparenz besteht Handlungsbedarf. Obwohl sich die Datenlage in den letzten Jahren verbessert hat, fehlen nach wie vor wichtige Informationen, etwa zur Verteilung des Grundeigentums oder zur Preisentwicklung auf dem Boden- und Immobilienmarkt. Beides tangiert auch den Mietwohnungsbereich. Ohne diese Grundlagen kann nicht überprüft werden, inwieweit das Grundverkehrsgesetz sein Ziel einer «möglichst breiten, sozialverträglichen und der Grösse des Landes entsprechenden Streuung des Grundeigentums» erreicht. Ohne aussagekräftige und aktuelle Informationen können Entwicklungen nur sehr eingeschränkt beobachtet, geschweige denn können adäquate Entscheidungen getroffen werden.
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